Therapie von familiärer Transthyretin (TTR)-Amyloidose-Polyneuropathie (FAP, TTR-associated amyloidosis – ATTR) mit RNA-Interferenz (RNAi) (Teil 1 von 2)

Okt. 28, 2013 | Hormondiagnostik, News

In einer kürzlich erschienenen Publikation in NEJM (Ref. 1) wurde gezeigt, dass PatientInnen mit FAP von einer RNAi-Therapie profitieren können. Diese Publikation eröffnet einen gänzlich neuen und revolutionären Zugang zu einer bisher als unheilbar geltenden, tödlich verlaufenden Erkrankung.  Was hat dies mit Hormonen zu tun? Im Folgenden einige Erläuterungen.
 
Transthyretin (TTR, OMIM-Datenbank 176300) ist eines der vielen Blutplasma-Proteine, (früher) auch Präalbumin genannt, welches das Schilddrüsenhormon T4 bindet, transportiert und vor allzu raschem Abbau und renaler Elimination bewahrt. 20% des T4 sind an TTR gebunden, 80% an TBG (Thyroxin Binding Globulin), letzteres mit hoher Affinität. TTR kann aber auch noch eine Reihe weiterer lipophiler kleiner Moleküle binden. TTR wird zu 95% von Hepatocyten synthetisiert und konstitutiv als Monomer sezerniert. Es fügt sich im Blutplasma zu einem korrekt geformten Homotetramer zusammen, in welchem Zustand es stabil und funktionell ist, d.h. T4 binden kann. Pro Mol (TTR)4 werden 4 Mol T4 gebunden, wobei T4 selbst zur Stabilisierung des (TTR)4 beiträgt. Als Tetramer ist TTR auch noch in der Lage, 2 Mol Retinol-Binding Protein zu binden, wovon jedes 1 Mol Vitamin A trägt.
 
Das TTR-Gen am Chromosom 18 ist zahlreichen Mutationen an den unterschiedlichsten Stellen unterworfen. Eine davon„gain of function“führt zu erhöhter Affinität für T4, womit der Gesamt–T4-Spiegel im Blut steigt und fälschlich eine Hyperthyreose diagnostiziert werden kann. Daher ist es wichtig, das freie T4 zu messen. Die meisten anderen Mutationen führen allerdings zu einer „loss of function“ in Bezug auf die T4-Bindung. Während dies auf den T4-Haushalt nur wenig (negative = pathophysiologische) Konsequenz hat, führt eine solche Mutation zu Instabilität des TTR-Tetramers, d.h. zum Zerfall in seine Monomere, die nun aber in dieser Form einer Neigung zu inkorrekter Selbstaggregation unterworfen sind: „gain of a new (= toxic) function“! Dabei inkorporieren solche TTR-Aggregate auch nichtmutierte TTR-Monomere, codiert vom anderen, gesunden Allel. Diese Aggregate erreichen einen hohen Grad an Komplexität und bewirken eine Strukturumwandlung, nämlich zu unlöslichen, cytotoxischen Amyloid-Fibrillen.
 
Da Amyolid (ganz gleich welcher Proteinherkunft) per definitionem nicht abbaubar und abräumbar ist, lagern sich Amyloid-Aggregate in vielen Geweben ab und führen in Folge funktionell und strukturell (Zelltod) zu deren Schädigung. Es resultieren Nieren-, Nerven-, Herzmuskel-Pathologien mit entsprechender klinischer Symptomatik, weiters Glaskörpertrübung, sowie auch Ablagerungen im ZNS, in den Leptomeningen, aber auch in Sehnen. Die Lebenserwartung von Patienten mit FAP beträgt nicht mehr als 10 Jahre ab Diagnosestellung bzw. Auftreten erster Symptome.
 
 
Ref.:
Coelho T, et al.
„Safety and efficacy of RNAi therapy for transthyretin amyloidosis“
N Engl J Med. 2013; 369(9): 819-29
 
 
 
 
Tit.ao.Univ.Prof. Dr. Siegfried Schwarz
Sektion für Experimentelle Pathophysiologie und Immunologie
Biozentrum
Medizinische Universität Innsbruck