Unter dem Begriff Atopie versteht man bekanntlich die genetische Disposition zur Entwicklung von Allergien. Diese Gruppe umfasst in Mitteleuropa ca. 15% der Gesamtbevölkerung. Dabei handelt es sich um den Effekt der Kombination zahlreicher genetischer Faktoren, auf deren Basis sich bei Exposition gegenüber den entsprechenden Allergenen das bekannte Bild einer Typ I (IgE-vermittelten) Allergie entwickeln kann. Neben dieser sogenannten sekundären atopischen Störung gibt es auch eine Gruppe primärer, auf monogener Basis beruhender atopischer Erkrankungen (engl. primary allergic disease, PAD), die in einer kürzlich erschienenen Arbeit von Johsua D. Milner (Ref. 1) ausführlich und kompetent behandelt werden. Diese monogenen atopischen Erkrankungen führen zu phänotypisch viel eindrucksvolleren und schwereren Ausprägungen mit Komorbiditäten als typische „gewöhnliche“ Allergien. Es handelt sich dabei um sehr seltene Erkrankungen, deren Inzidenz und Prävalenz noch nicht klar definiert werden können. Der Pathogenese von PAD liegen Mutationen verschiedenster Gene zugrunde, die zum Großteil – aber nicht nur – die Funktion von T-Helfer 2 (TH2) Zellen betreffen.
Man kann bei Patienten mit PAD Mutationen in Gruppen von Genen nachweisen, die für folgende funktionelle Störungen verantwortlich sind:
- T-Zell Rezeptor Signaltransduktion und Umbau (remodeling) des Zytoskeletts
- Gestörte Zytokin-vermittelte Signaltransduktion
- Restringiertes T-Zell Repertoire
- Verlust den immunologischen Toleranz gegen Allergene
- Allergen – Glykosylierung
- Störung der Haut-Barriere Funktion
- Mastzell-Degranulation
Bei schweren Formen von Allergien sollte man also immer auch an PADs denken. Die exakte Diagnostik von PAD erfordert allerdings beträchtliche genetische Expertise.
Ref. 1:
Milner J.D. et al., Primary Atopic Disorders. Annual Review of Immunology 38: 785-808 (2020).
doi: 10.1146/annurev-immunol-042718-041553.