Oxytocin ist bekanntlich ein Hormon, von dem man ursprünglich annahm, dass es ausschliesslich für die postnatale Uteruskontraktion zuständig sei (siehe dazu unseren „News“-Beitrag v. 9.12.2014). Inzwischen hat sich gezeigt, dass Oxytocin und sein Korrelat, das Vasopressin, zahlreiche zentralnervöse Funktionen haben, insbesondere in Zusammenhang mit guten zwischenmenschlichen Beziehungen.
Oxytocin wird beispielsweise zur Verhinderung von konditionierter Angst (Pavlov'sche Angstreaktion) verabreicht. Nach einer nasalen Applikation von 24 IU Einheiten von synthetischem Oxytocin, kam es bei der Verum-Gruppe im Vergleich zur Plazebo-behandelten Kontrolle zu einer Verminderung bzw. Verhinderung einer Pavlov'schen Angstreaktion (= Angstreaktion nach vorheriger Konditionierung durch angsteinflösssende Faktoren, z.B. entsprechende Videos). Die Autoren schliessen daraus, dass diese Beobachtungen auch neue Wege in der generellen Therapie von Angstzuständen eröffnen könnten (1).
Nun wurde der zentralen Wirkung von Oxytocin eine weitere Indikation sozialer Verhaltensstörung hinzugefügt. In einer vor kurzem erschienenen Arbeit untersuchten O. Penagarikano et al. (2) den Effekt von Oxytocin in einem Mäusemodell für den menschlichen Autismus. Bei dem verwendeten Mäusestamm war die Funktion des Gens für das Contactin-associated protein-like 2 (Cntnp2) gestört. Mutationen dieses Gens führen auch beim Menschen zu einem Kortikalen Dysplasie- und Fokalen Epilepsie (CDFE-) Syndrom; mindestens 70% von CDFE-Patienten zeigen auch Symptome aus dem Spektrum autistischer Störungen. Interessanterweise sind die Charakteristika des erwähnten Mäusestamms – inklusive ihrer Defekte im Sozialverhalten – jenen von menschlichen Patienten mit der Cntnp2-Mutation sehr ähnlich.
Die Autoren konnten in Experimenten mit diesen Mäusen zeigen, dass nur zwei Medikamente die Anzahl von sozialen Interaktionen erhöhen können, und zwar Oxytocin und das strukturell ähnliche Molekül Vasopressin. Vasopressin scheint seinen Effekt hier übrigens ebenfalls über den Oxytocin-Rezeptor auszuüben – eine Blockierung des Oxytocin-Rezeptors verhinderte nämlich die positiven Verhaltenseffekte beider Hormone, während dies nach Blockierung des Vasopressin-Rezeptors nicht der Fall war.
Die Autoren konnten ausserdem zeigen, dass die Verbesserung des Sozialverhaltens bei diesem Mäusestamm auch durch eine pharmakologisch induzierte Erhöhung der Produktion von Oxytocin in den Versuchstieren selbst bewirkt werden kann. Auf diese Weise konnten sie der – noch nicht verifizierten – Kritik begegnen, dass passiv verabreichtes Oxytocin und Vasopressin die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren könne.
Ref.
(1)
Eckstein et al.
„Oxytocin facilitates the extinction of conditioned fear in humans“
Biol Psychiatry. Oct 30. pii: S0006-3223(14)00795-1 (2014)
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25542304
(2)
Penagarikano et al.
„Exogenous and evoked oxytocin restores social behavior in the Cntnap2 mouse model of autism“
Sci TranslMed Jan 21;7(271):271ra8 (2015)
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25609168