Monoklonale Antikörper gegen Calcitonin-Gene-Related Peptide (CGRP) oder dessen Rezeptor für die Prävention oder Behandlung der Migräne

Okt 15, 2019 | Hormondiagnostik, News

Migräne ist bekanntlich eine wichtige Erkrankung mit schwerwiegenden, die Lebensqualität negativ beeinflussenden Symptomen und einer grossen sozioökonomischen Belastung. Geeignete Massnahmen zur Prävention der Migräne wären daher notwendig, um den Schweregrad der akuten Attacken zu vermindern, die Medikamenteneinnahme zu minimieren bzw. deren Nebenwirkungen einzuschränken und Abhängigkeiten zu verhindern.

 

Monoklonale Antikörper gegen CGRP bzw. dessen Rezeptor haben sich in den letzten Jahren als erfolgreiche Medikation für die Vorbeugung und Behandlung der Migräne erwiesen. Diese Antikörper sind gut verträglich und zeigen ein hohes Sicherheitsprofil. Sie wirken spezifisch und haben eine relativ lange Halbwertszeit. Ein wichtiger negativer Faktor dieser Therapie sind allerdings die hohen Kosten.

 

CGRP ist ein Neuropeptid, das in zwei Isoformen (aund b) vorkommt. Die a-Isoform ist ein aus 37 Aminosäuren bestehendes Peptid, das bei der Pathogenese der Migräne eine zentrale Rolle spielt. Diese Isoform wird in peripheren sensorischen Neuronen und verschiedensten Arealen des zentralen Nervensystems produziert. a-CGRP entsteht durch alternatives Splicingder mRNA des Calcitonin-Gens.

Die b-Isoform wird von einem anderen Gen enkodiert und wird vor allem im sensorischen Bereich des Magen- und Darmtrakts exprimiert.

 

Die Rezeptoren für Peptide aus der CGRP-Familie bestehen aus zwei G-Protein-gekoppelten Einheiten, der Calcitonin-like Receptor (CLR; eine 7-Transmembran-Rezeptor)-Struktur und dem Receptor Component Protein (RCP),das mit dem Receptor Activity Modifying Protein-1 (RAMP-1)interagiert. Der CGRP-Rezeptor ist in den Neuronen des N-trigeminus, in glatten Muskelzellen des peripheren intrakranialen Gefässsystems, der Dura Mater, und dem Hirnstamm exprimiert.

 

Die CGRP-Spiegel sind während des Migräneanfalls erhöht und fallen dann gemeinsam mit dem Nachlassen des Schmerzes ab. Interessanterweise führt die intravenöse Verabreichung von CGRP bei Patienten mit Migräne – jedoch nicht bei gesunden Kontrollen – zu Migräne-ähnlichen Kopfschmerzen.

 

Die aktuelle Arbeitshypothese bezüglich der Entstehung der Migräne postuliert, dass die Erkrankung im zentralen Nervensystem entsteht, wobei kortikale und subkortikale Veränderungen die Aktivierung des trigeminovaskulären Systems induzieren, gefolgt von der Transmission von Schmerzsignalen in den Thalamus. Die Aktivierung des trigeminovaskulären Systems scheint also ein entscheidender Schritt für das Auftreten eines Migräneanfalls und der darauf beruhenden Symptome zu sein.

Nach Aktivierung des trigeminovaskulären Systems wird CGRP an den Enden des N. trigeminus freigesetzt, was zu einer Gefässerweiterung im Bereich der interkranialen Arterien führt, die mit einer Modulation der neuronalen Erregbarkeit durch die Erniedrigung der Schwelle für die Schmerztransmission einhergeht und schliesslich in einer neurogenen Entzündungsreaktion endet.

 

Basierend auf diesen klinischen und experimentellen Befunden ist CGRP in das zentrale Interesse für mögliche pharmakologische Angriffspunkte zur Prävention der Migräne gerückt. Kleine Moleküle, die als kompetitive CGRP-Rezeptorantagonisten wirken, die sog. Gepante, haben sich zwar als erfolgreich bei der Behandlung und Prophylaxe von Migräneanfällen erwiesen, konnten die Toxititäts- und Sicherheitshürden für eine generelle Zulassung allerdings nicht überspringen. Diese Probleme traten bei der Verwendung von monoklonalen Antikörpern gegen CGRP bzw. dessen Rezeptoren nicht auf. Die Wirkung dieser neuen Biologika kann einerseits in einer Neutralisation des erhöhten CGRP bestehen (monoklonale anti-CGRP Antikörper) oder in einer Blockierung der Bindung von CGRP an seinen Rezeptor (monoklonale anti-CGRP Rezeptor Antikörper).

 

In einer Übersichtsarbeit von C. Tiseo et al. wird dieses Thema kompetent und ausführlich behandelt.

 

 

Ref.

Tiseo C. et al.

„How to integrate monoclonal antibodies targeting the calcitonin gene-related peptide or its receptor in daily clinical practice“

J Headache Pain. 2019 May 6;20(1):49. 

 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31060490