Krankheitsüberblick Nr.4: Infektion mit Epstein-Barr Virus

Jan 30, 2023 | Hormondiagnostik, News

Epidemiologie und Klinik

Das Epstein-Barr Virus (EBV), auch genannt humanes Herpesvirus 4 (HHV4) gehört mit dem Karposi-Sarkom-assoziierten Herpes Virus (KSHV, auch HHV8) zu den γ Herpesviren. Es wurde 1964 von Epstein, Achong und Barr aus einem Burkitt-Lymphom eines afrikanischen Patienten isoliert. 95% (!) aller Erwachsenen weltweit infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit EBV. Der übliche Übertragungsweg sind Körperflüssigkeiten, vor allem Speichel, mit einer Infektion von Schleimhautzellen (der Mundhöhle) sowie von lokalen inaktiven B-Zellen. Nur 35% der Infizierten entwickeln nach einem Monat Symptome der frischen lytischen Infektion (infektiöse Mononukleose oder Pfeiffersches Drüsenfieber) mit Fieber bis 39°C, Müdigkeit, Halsschmerzen mit dickem Belag, Schluckbeschwerden, Heiserkeit, Mundgeruch und geschwollenen cervico-nuchalen Lymphknoten. Bei manchen entstehen zusätzlich eine Hepatomegalie und Splenomegalie (eventuell mit Gefahr einer Milzruptur) oder eine Anämie. Nach sechs Wochen sollte die Infektion ausgeheilt sein. Eine gelegentliche Gefahr ist das Auftreten einer Superinfektion, einer Meningitis, Glomerulonephritis oder Myocarditis. Selten besteht eine chronische aktive EBV (CAEBV) Infektion als lebensbedrohlicher Verlauf fort. Bei den meisten Personen geht die Erstinfektion in eine lang anhaltende asymptomatische Persistenz des latenten EBV über. Sobald jedoch die Balance zwischen EBV Infektionslast und T-Zell-Reaktion zugunsten des EBV verändert wird, kommt es zu einer viralen Reaktivierung mit Allgemeinsymptomen oder sogar maligner Transformation der infizierten lymphoiden oder epithelialen Zellen. Ein Sonderfall dieser Reaktivierung stellt aus unserer Sicht die Persistenz eines chronischen Müdigkeitssyndroms dar, welches im Laufe aller Erkrankungsphasen zu beobachten ist.

Man unterscheidet zwei EBV Typen. Typ I kommt global vor, Typ II (zusätzlich) in der Sub-Sahara. Bisher wurden 71 EBV Arten identifiziert, die sich zum Teil in ihrer Virulenz unterscheiden.

Pathologie und Pathophysiologie

Das EBV hat einen Durchmesser von ca 160 nm und besteht aus einer linearen, 170 kb bestehenden doppelsträngigen DNA, die für > 85 Proteine kodiert. Alledings ist die Funktion von 35% dieser Proteine unbekannt. Das Genom wird von einem icosahedralen Kapsid umhüllt, das selbst wiederum von einem Lipidmantel umgeben ist, an dessen Oberfläche Glykoproteine wie das gp350/220, lokalisiert sind. 

Für eine horizontale Transmission zwischen zwei Menschen ist die lytische Phase notwendig. Sie führt zu einer Freisetzung des EBV in den extrazellulären Raum, um die nächste B- oder Epithel-Zelle zu infizieren. Manchmal können auch T-Zellen oder NK-Zellen betroffen sein. Für den Eintritt des EBV in Lymphozyten binden die o.g. Glykoproteine an das CD21, den Komplement Rezeptor 2 und ein HLA Klasse II Molekül an der Oberfläche der Zielzelle. Im Anschluss kommt es dann zur Endozytose. Die Infektion der Epithelzelle erfolgt hingegen über die Bindung der viralen gpH/gL und gB an den Ephrin Rezeptor A2. In der Zielzelle verbleibt das virale Genom episomal in zirkulärer Form erhalten. Unmittelbar nach der lytischen Replikation ist die gesamte EBV DNA unmethyliert und frei von Nukleosomen, in der latenten Phase hingegen hyper-methyliert. In letzterer erfolgt die virale Replikation unbemerkt für den Wirt durch die DNA Polymerase der Zielzelle.

Für die Aufrechterhaltung der Latenzphase reicht die Expression von nur wenigen viralen Genen, deren differentielle Expression drei Latenzprogramme charakterisiert. Latenzprogramm III führt zur Proliferation von infizierten (B-) Zellen! Diese Zellen sind jedoch hoch-immunogen und können rasch vom Immunsystem eliminiert werden. Das Latenzprogramm II verwendet nur mehr vier der o.a. Proteine, was zu einer geringeren Immunogenität führt. Letztlich zeichnet sich die Latenzphase I durch ein vollständiges Abstellen der Expression viraler Gene aus; deshalb auch Latenzphase 0 oder „echte“ Latenz genannt. 

Alle Latenzphasen sind mit Induktion der Tumorigenese, Inhibition der Apoptose und Suppression der Immunogenität vergesellschaftet. Latenz III kann zu einer Post-Transplantat Lymphoproliferation und zum AIDS assoziiertem Lymphom führen. Latenz II ist mit Hodgkin Lymphomen, NK/K-Zell Lymphomen und nasopharyngealen Karzinomen, Latenz I hingegen mit Magenkarzinomen und Burkitt-Lymphomen assoziiert. 

Die Transition von der Latenz- zur lytischen Phase kann spontan erfolgen oder chemisch ausgelöst werden. Während dieses Schrittes wird das gesamte Genrepertoire des Virus (> 80 Gene) in drei Phasen exprimiert: Die Immediate Early (IE) Phase wird durch die zwei Schlüssel-Transkriptionsfaktoren BZLF1 (syn. ZEBRA) und BRLF1 initiiert. Sie verstärken ihre gegenseitige Expression sowie jene der viralen E-Gene, welche die Early Phase einläuten. Letztere kodieren für Proteine, die in der viralen Replikation von Bedeutung sind. Letztlich werden in der Late Phase strukturelle Proteine, wie gp350/220, synthetisiert. Unmethylierte DNA wird vom Toll-Like Receptor 9 erkannt, welcher in weiterer Folge den NF kappa B Signaltransduktionsweg in der B-Zelle induziert und CD56dim NK Zellen rekrutiert, um die infizierte Zelle zu entfernen.

Die humorale Immunreaktion der frühen Phase beginnt mit einer Induktion von IgM Antikörpern. Dabei sind so genannte heterophile Antikörper zu erwähnen, die jedoch aufgrund der niedrigen Spezifität das Risiko falsch positiver Diagnosen tragen. Etwas aussagekräftiger sind dagegen IgM Antikörper gegen das Virale Capsid Antigen (VCA, bei 75-95% der Betroffenen) sowie gegen den Early Antigen Diffuse (EaD) Komplex, welche nach einem Höhepunkt von 3 Wochen nach der Infektion bis zur 8. Woche nachweisbar bleiben. Mit dem Höhepunkt kommt es auch zu einer raschen Zunahme der IgG Antikörper gegen VCA nach 2 – 4 Wochen, die (lebenslang) im Blut nachgewiesen werden können. Auch IgG Antikörper gegen das Early Antigen (EA) treten gleich nach Krankheitsbeginn auf und verschwinden nach 3 – 4 Monaten. Sie sind ein guter Marker für eine aktive Infektion; wenngleich 20% der gesunden Personen ebenfalls diese Antikörper besitzen. Hingegen werden Antikörper jeglicher Klasse gegen das EBV nukleäre Antigen (EBNA) erst 2-4 Monate nach der akuten Krankheitsphase bei 90-95% nachgewiesen. Auch sie –v.a. jene der Klasse IgG- bleiben ein Leben lang bestehen. Während der Latenzphase sind IgM Antikörper gegen EBV Proteine per definitionem nicht nachweisbar. Wesentlich ist das leichte Wiederaufflammen der IgM Antikörperantwort (gemeinsam mit dem noch verbliebenen IgG) im Falle einer Re-Aktivierung.

In jedem Fall entsteht eine ausgeprägte zelluläre Immunantwort. Prinzipiell ist die Lymphozytose (mit einem relativen Wert von > 50%) mit einem hohen Anteil von 10-40% an „atypischen“ Lymphozyten kennzeichnend; v.a. für die Erstinfektion. Funktionell ist insbesondere den (CD3+) T-Lymphozyten die Aufmerksamkeit zu schenken. In der lytischen Phase dominieren T-Lymphozyten, die gegen IE und E Antigene gerichtet sind. In dieser Phase sind 25-45 % der cytotoxischen (CD8+) T-Zellen spezifisch für EBV. Während der Persistenz sinkt dieser Wert auf unter 5 %, und das Antigenspektrum neigt sich in Richtung EBNA und LMP Antigene. Bei einer lytischen Reaktivierung wechselt das Profil wieder zurück.

Therapie

Die symptomatische Behandlung basiert auf der Gabe von Analgetika und Antipyretika. In bestimmten Situationen kommen auch Corticosteroide zum Einsatz.

Darüber hinaus denkt man naturgemäß an eine direkte antivirale Therapie. Man kann zwischen Nukleotid-Analoga (wie Cidofovir), Nukleosid-Analoga (Acyclovir, Ganciclovir, Penciclovir) und Pyrophosphat-Analoga (Foscarnet) unterscheiden. Sie wirken auf die lytische Phase der Erkrankung. Keine dieser Substanzen hat allerdings eine Zulassung für die Indikation einer EBV Infektion.

EBV-assoziierte Tumoren profitieren von Virostatika per definitionem nicht, da diese Substanzen -wie erwähnt- nur auf die lytische Phase der Infektion wirken.

EBV-assoziierte Lymphome (Burkitt Lymphom, Hodgkin Lymphom) werden mit konventioneller Chemotherapie behandelt und sprechen gut auf diese an. Rekurrierende Lymphome sind auf diese Therapeutika jedoch nicht mehr sensibel, weshalb andere Kombinationen in klinischer Erprobung sind. EBV positive Magenkarzinome werden ebenfalls einer Chemotherapie unterzogen. Erste Daten sprechen für eine höhere Ansprechrate gegenüber EBV negativen Magenkarzinomen.

Große Hoffnung setzt man in die Immuntherapie. Bei der adoptiven Zell-Therapie werden dem Patienten cytotoxische, spezifisch gegen EBV gerichtete T-Zellen entnommen, in vitro expandiert und demselben Patienten wieder re-infundiert. Eine weitere Möglichkeit ist es, die T-Zellen zu infundieren, die B-Zellen direkt über die Erkennung von B-Zellmarkern, wie CD19, zerstören (CAR-T-Zell Technologie). Diese Immuntherapien weisen jedoch relevante Nebeneffekte auf, die ihre Anwendung zurzeit noch auf klinische Studien beschränken.

Eine Kombination verschiedener Strategien könnte die sogenannte lytische Induktionstherapie darstellen, bei welcher eine Aktivierung des cytolytischen Virus (CVLA) zusammen mit einem Virostatikum eingesetzt wird. Aktivatoren wären in diesem Zusammenhang Eisen-Chelatoren oder Inhibitoren der Histon-Deacetylierung. Erfolgsbringend wäre letztlich eine Impfung gegen EBV, die es zur Zeit jedoch nicht in zugelassener Form gibt.

Diagnose

Im peripheren Blut zirkulierende spezifische IgM oder IgG Antikörper gegen EBV Antigene werden mittels Immunoassay nachgewiesen.

Der Enzyme-linked Immunospot Assay (ELISpot) detektiert die lytische und die latene Infektion mit EBV durch die Messung der IFN-γ Freisetzung nach Co-Inkubation (d.h. Aktivierung) der T-Zellen mit EBV Antigenen. Dabei werden die IFN- γ sezernierenden TH-Zellklone gezählt.

Die Peptide von EBV, die wir in unserem Labor für die Tests als Antigene einsetzen, entstammen 100 Proteinen der lytischen und der latenten Infektionsphasen.

Die Indikation des ELISpot Tests ist der Nachweis einer Reaktivierung einer latenten Infektion mit EBVimmunkompetenter PatientInnen.

Wir verwenden als Probenmaterial mindestens 6 ml Vollblut in Citrat- oder Li-Heparinröhrchen. Die Röhrchen müssen bis zur Analyse auf Raumtemperatur verbleiben und sollten so schnell wie möglich, mindestens innerhalb von 12-16 Stunden, in unserem Labor eintreffen. Deshalb ist eine genaue Koordination mit unserem Labor erbeten.

Das Ergebnis ist semi-quantitativ und wird in % ausgegeben. Auch die Gesamtanzahl mononukleärer Zellen und der Anteil prinzipiell stimulierbaren T-Zellen unter diesen wird notiert.

Diese Laboranalyse kann mit den gesetzlichen Sozialversicherungen abgerechnet werden.


1Man kann eine sehr hohe Viruslast messen. Es entwickelt sich eine T- oder NK-Zellproliferation zu einer hämophagozytischen Lymphohistiocytose oder einem chemotherapieresistenten Lymphom.

 2Nukleäre Proteine (EBNA 1, 2, 3A-C, LP), Latente Membran-Proteine (LMP1 und 2), EBV small RNAs (EBERs) und EBV miRNAs.

 3gp350/200, gh/gl, gB und Ephrin A2

4Auch diese Antikörper können mit andere DNA-Viren, zum Beispiel CMV, kreuzreagieren.