Viele Menschen werden bekanntlich aufgrund unterschiedlicher endokriner Störungen mit Hormonpräparaten behandelt. In manchen Fällen ist dieser Eingriff in das subtil regulierte endokrine System nicht optimal erfolgreich, und die therapeutische Hormondosis muss den aktuellen Gegebenheiten genauer angepasst werden. Grundlage für eine optimale hormonelle Behandlung sollte Immer ein exaktes und regelmässiges Monitoring sein, wie es hier für eine menopausale Patientin unter HRT demonstriert wird (aus Ref. 1)
Bei dieser 55 Jahre alten Patientin ist die Menopause bereits vor einiger Zeit eingetreten, wie die Laborwerte zeigen: stark eingeschränkte Östradiol 17β (E2) Produktion und aufgrund des fehlenden negativen Feedbacks erhöhtes FSH und LH, sowie normaler sex hormone binding globulin (SHBG, 60 nm/L) Serumspeigel (Tab. 1). Diese Konstellation ist typisch für eine primäre – in diesem Fall menopausebedingte – Ovarialinsuffizienz. Das Ziel der HRT war nun, den niedrigen E2-Spiegel wieder (künstlich) zu erhöhen, d.h., zu „normalisieren“. Die Patientin erhielt zunächst Premarin, ein Präparat, das (aus Stutenharn gewonnene) Pferdeöstrogene enthält. Diese sind biochemisch dem humanen E2 ähnlich, aber nicht mit ihm identisch. Eine Therapiekontrolle während der Premarin-HRT zeigte keine Erhöhung des E2-Spiegels im Serum, obwohl sich die menopausalen klinischen Beschwerden etwas besserten. Der Grund: diagnostische E2-Immunoassays erfassen nur humanes E2, nicht aber die strukturell leicht unterschiedlichen Pferdeöstrogene. Der humane Östrogenrezeptor erkennt aber beide Arten von Östrogenen (allerdings mit unterschiedlicher Affinität) und spricht auf beide an. Der agonistische Effekt der Pferdeöstrogene lässt sich an 3 Parametern klar ablesen: am Absinken der Spiegel von FSH und LH und an dem Anstieg der SHBG-Konzentration im Serum. Dieser dual agonistische-antagonistische Östrogen-Effekt, d.h., Suppression der Expression von FSH und LH in den gonadotrophen Zellen und erhöhte Expression von SHBG in den Leberzellen, lässt nach Absetzen von Premarin innerhalb weniger Tage wieder nach und ist 30 Tage danach gänzlich verschwunden, ausgenommen eine noch feststellbare, gewisse „Resterhöhung“ des etwas träger reagierenden SHBG.
Aufgrund anhaltender Menopause-bedingter Symptome wünschte die Patientin einen Wechsel des für die HRT verwendeten Präparats und erhielt dann Activelle. Dieses Medikament enthält reines humanes E2, also ein dem endogenen E2 identes Molekül, dessen Blutspiegel somit exakt messbar ist. Ist dieser Wechsel deshalb vorteilhaft? Nicht unbedingt! Die Parameter, die seine Wirkung reflektieren, also FSH, LH und SHBG, verhalten sich genauso wie nach der Gabe von Premarin.
Die Patientin wollte daher eine weitere Adaptierung ihrer HRT und erhielt schliesslich das Präparat Kliogest. Sie gab dann an, sich viel besser zu fühlen als unter Premarin oder Activelle.
Die Laboruntersuchung zeigte nun eine Erhöhung des E2-Spiegels auf das Doppelte im Vergleich zu Activelle. Kliogast enthält nämlich 2 mg E2 und das damals verabreichte Activelle nur 1mg/Tablette. Der SHBG Spiegel stieg weiter an, FSH und LH Konzentration fielen ab, und zwar auf Werte, die typisch für die Follikelphase einer geschlechtsreifen Frau wären. Doch cave! Je höher die E2-Dosis, desto höher ist auch das Risiko für ein Mamma-Carcinom oder eine Thrombose. Es scheint also, dass in diesem Fall Kliogast eine Überdosis darstellt. Eine Umstellung auf täglich alternierend eine Tablette Activelle bzw. Kliogast brachte den E2-Spiegel schliesslich auf einen optimalen Mittelwert zwischen jenen, die ursprünglich durch Activelle bzw. Kliogast alleine erzielt worden waren, also etwas höhere FSH- und LH- und geringgradig erniedrigte SHBG-Spiegel bei geringerer verabreichter Gesamt – E2 Dosis.
Dies ist also ein Beispiel, wie durch exaktes Monitoring eine optimal dosierte HRT erzielt werden kann.
Nota bene: Das Hormon Progesteron wurde hier bewusst ausgeklammert, weil es unterschiedliche ärztliche Meinungen bzw. wissenschaftliche Erkenntnisse zur Frage gibt, ob es eher hemmend, oder (wie im Fall von E2) fördernd auf das Risiko zur Entwicklung von Brustkrebs wirkt.
Tabelle 1:
Ref. 1:
S. Schwarz, O. Förster, M. Peterlik, K. Schauenstein und G.Wick
PATHOPHYSIOLOGIE: Molekulare, zelluläre, systemische Grundlagen von Erkrankungen.
ISBN: 978-3-99111-521-2, 1. Auflage, S.1-52, Tab 12 (2021)