Statistisch gesehen, besteht eine signifikante Assoziation zwischen Übergewicht und dem Auftreten von Autoimmunerkrankungen.
Neuere Arbeiten untermauern diesen Befund durch den Nachweis, dass die Überladung des Stoffwechsels bei Übergewichtigen auch jenen des Immunsystems (immunometabolism) beeinflusst. Überernährung bedingt die Aktivierung von angeborener und adaptiver Immunität und führt in der Folge zu einem zunächst geringgradigen, chronischen Entzündungszustand. Dabei spielt das NLRP3 Inflammasom eine wichtige Rolle als Sensor für metabolischen Stress. Für diese Aktivierung ist das von Fettzellen produzierte Zytokin (Adipocytokin) Leptin von zentraler Bedeutung. Hohe Leptinkonzentrationen führen zu einer konstitutiven Überaktivierung des mTOR- (mechanistic target of repamycin) Signaltransduktionswegs von T-Zellen. Diese supraphysiologische T-Zell Stimulation fördert die Expression des für immunsuppressive, regulatorische T-Zellen (Tregs) essentiellen Transkriptionsfaktors FoxP3 (forkhead-box P3.)
Übergewicht vermindert ausserdem die Proliferation von Tregs im Thymus (natürliche Tregs – nTregs) mit breiter immunsuppressiver Wirkung. Neben den nTregs gibt es bekanntlich auch antigenspezifische, induzierte (iTregs) in der Peripherie, die bei übergewichtigen Menschen ebenfalls vermindert sind. Schliesslich konnte gezeigt werden, dass Übergewicht auch die Konversion von konventionellen T-Zellen in proinflammatorische T-Helfer Typ I (TH1) und Th17 Zellen fördert, was das Risiko einer verminderten autologen T-Zell Toleranz nach sich zieht (s. Abb.).
Zusammenfassend ist also zu sagen, dass die durch Überernährung und Leptin induzierte mTOR Aktivierung die periphere und zentrale (Thymus) Treg Proliferation und immunsuppressive Funktion vermindert und die Differenzierung von TH1 und TH17 Zellen verstärkt wird. Diese Konstellation bedeutet ein erhöhtes Risiko des „Kontrollverlusts“ über potentiell autoreaktive T-Zellen und damit der Gefahr des Auftretens von Autoimmunerkrankungen, wie Diabetes Typ I, Multipler Sklerose, etc.
Das Fettgewebe produziert aber nicht nur Leptin, sondern auch verschiedene proinflammatorische Zytokine, wie Interleukin-1 (IL-1), Tumornekrosefaktor α (TNFα) und IL-6, die – zusammen mit Leptin – zu einem höheren Grad von Gewebeschädigung und Autoimmunität beitragen. Diese Bedingungen erklären zum Teil auch die hohe Inzidenz von Autoimmunerkrankungen im Rahmen von Covid-19 bei übergewichtigen Patienten.
Als Prävention gegen und Therapie von Autoimmunkrankheiten bei übergewichtigen Menschen, empfiehlt sich neben den diätetischen Massnahmen die Schaffung eines medikamentösen „Pseudohungerns“ durch die Verabreichung von mTOR-Inhibitoren, wie Rapamycin. Auch Metformin, ein Stimulator der AMP-aktivierten Kinase (AMPK), der zur Therapie von DM II verwendet wird, kontrolliert nicht nur den Blutzucker, sondern hat ausgeprägte antiinflammatorische Wirkungen durch seinen AMpK-mediierten, mTOR inhibierenden Effekt.
Referenz:
Matarese, G. (2023). The link between obesity and autoimmunity. Science, 379(6639), 1298–1300. https://doi.org/10.1126/science.ade0113