Das Immunsystem reagiert bekanntlich bei Frauen und Männern in verschiedener Weise. Vereinfacht gesprochen, reagieren sowohl das angeborene (innate) als auch das adaptive Immunsystem bei der Frau stärker als beim Mann. Frauen sind daher z.B. besser gegen bakterielle oder virale Infektionen geschützt als Männer. Andererseits müssen Frauen ihre immunologische Überlegenheit durch ein grösseres Risiko für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen „bezahlen“. Das gilt z.B. für die rheumatoide Arthritis, die multiple Sklerose, den systemischen Lupus erythematosus, das Sjögren-Syndrom sowie die autoimmune Hepatitis und die primäre biliäre Cholangitis. Faktoren, die zu dieser Situation beitragen, umfassen Umweltkomponenten, wie die Zusammensetzung des Mikrobioms, das persönliche Verhalten und genetische Faktoren, inklusive der X-chromosomalen Inaktivierung. Verschiedene klinische Hinweise sprechen dafür, dass auch Geschlechtshormone bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielen und für die erwähnten geschlechtsspezifischen Unterschiede verantwortlich sein könnten. Die Autoimmunitäts-fördernden Rolle von Östrogenen ist bereits vielfach dokumentiert.
Bei allen Autoimmunerkrankungen inklusive jenen, die die Leber betreffen, spielen T-Zellen eine Zentrale pathogenetische Rolle. In einer vor kurzem erschienenen Arbeit von Lara Henze et al (Ref. 1) wird die Wirkung von Androgenen auf T-Effektor Zellen (Teff – Th1, Th17), bei relativer Aussparung von regulatorischen T-Zellen (Treg) besprochen und beschrieben, wie die beiden wichtigsten Androgene, Testosteron und Dihydrotestosteron zur Entwicklung bzw. Verhinderung von autoimmunen Lebererkrankungen beitragen könnten. Man beobachtet eine suppressive Wirkung von Androgenen auf Teff und einen proportionalen Anstieg von Treg beim Mann, was eine Erklärung für die weibliche Prädominanz bei der Entwicklung von autoimmunen Lebererkrankungen sein könnte. Inwiefern Veränderungen von klassischen (im Zytosol) und nicht klassischen Androgenrezeptoren (im Zytoplasma und an der Zelloberfläche) und den Mechanismen der Signaltransduktion für diese Unterschiede (mit)-verantwortlich sein könnten, muss allerdings mangels eindeutiger Daten noch offen bleiben.r
Ref. 1:
Henze L. et al., The Effects of Androgens on T Cells: Clues to Female Predominance in Autoimmune Liver Disease? Frontiers in Immunology 11: 1567 (2020)