Unter „Adrenale Krise“ versteht man akute physiologische Störungen bei Patienten mit bekanntem Hypoadrenalismus. Sie ist beim Erwachsenen als eine akute Verschlechterung des Gesundheitsstatus mit absolutem Blutdruckabfall (systolischer Blutdruck < 100 ml Hg) oder relativer Hypotension (systolischer Blutdruck ≥ 20 ml Hg niedriger als gewöhnlich) charakterisiert. Die Symptome verschwinden innerhalb von 1 bis 2 Stunden nach parentaraler Administration von Glucocorticoiden.
Ein niedriger Blutdruck bei Kindern mit Tachykardie und ausgeprägte Störungen des Elektrolytstoffwechsels (z.B. Hyponatriämie, Hyperkaliämie, oder Hypoglykämie, die nicht auf das Vorhandensein anderer Krankheiten zurückzuführen sind) sind typisch für die adrenale Krise.
Weitere, Patienten aller Altersstufen betreffende Besonderheiten sind abdominale Symptome, Bewusstseinsstörung, Delirium und Fieber.
Die Pathophysiologie der adrenalen Krise erklärt sich aus einem absoluten oder relativen Mangel des Corticoidhormons Cortisol. Cortisol hat in der Zirkulation eine Halbwertszeit von 90 Minuten, d.h. verschiedene Gewebe sind bei einem aktiven Prozess von diesem Mangel innerhalb weniger Stunden betroffen. Cortisol hat hoch pleiotrope Effekte, weil es an der transkriptionellen Modulation von Genen beteiligt ist, die ein glucocortoid response element (GRE) enthalten. Das gilt für 29% aller Gene!
Ein Cortisolmangel manifestiert sich in einer Veränderung der Zahl und Funktion von Zellen des Abwehrsystems (Neutropenie, Eosinophilie, Lymphozytose). Der Verlust der synergetischen Wirkung von Cortisol und Catecholaminen auf das Gefässsystem resultiert in Vasodilatation und Blutdruckabfall. Die Leber betreffende Effekte umfassen den Zwischenstoffwechsel mit reduzierter Glukoneogenese, Hypoglykämie oder beides, sowie eine Verminderung der zirkulierenden freien Fettsäuren und Aminosäuren.
Auf zellulärer Ebene führt das Absinken der Cortisolkonzentration zu einer Unterdrückung der Wirkung der wichtigen und breit-wirksamen Transkriptionsfaktoren Aktivator Protein-1 (AP-1) und Nuklearfaktor kB (NF-kB).
Pro Jahr kommt es bei ca. 6 bis 8% der Patienten mit verminderter Nebennierenfunktion zu einer adrenalen Krise. Risikofaktoren für eine derartige Krise sind höheres Alter, bereits vorher manifestierte adrenale Krisen, das Vorliegen eines M. Addison oder autoimmunen polyglandulären Syndroms, ein Typ I Diabetes mellitus und nicht-endokrinologische koexistierende Störungen, wie Asthma und Herzinsuffizienz. Zusätzliche Auslöser für adrenale Krisen sind Infektionen, insbesondere eine Gastroenteritis. Letztere birgt wegen der Diarrhöe und des Erbrechens nicht nur die Gefahr der Exsikkation in sich, sondern auch der mangelhaften Resorption von Medikamenten.
Ref.
Rushworth RL et al.
„Adrenal Crisis“
N Engl J Med. 2019 Aug 29;381(9):852-861.
No Abstract available.