Die autoimmune Gastritis (ICD-11 DA42.0) zählt zur Gruppe der Organ-spezifischen Autoimmunerkrankungen und ist eine von drei Typen der chronischen Gastritis (Typ A Gastritis oder chronische autoimmune Gastritis, CAG). Ihre Prävalenz beträgt 1,5%. Erstbeschreibung 1921.
Ätiologie
Ein ätiologischer Faktor ist nicht bekannt. Träger*innen von bestimmten Polymorphismen der Gene für TLRs, HLA-D8 und DR3 sowie Frauen (über 60 Jahre) haben ein erhöhtes Risiko. Eine Infektion mit Epstein-Barr Virus oder Helicobacter pylori sowie westliche Diät werden mit dem Erkrankungsbeginn in Verbindung gebracht.
Pathophysiologie
Über die primäre Erkennung des Antigens und die autoinflammatorische Phase der Typ A Gastritis ist wenig bekannt. Hingegen geht man bei der darauf folgenden autoimmunologischen Phase davon aus, dass an deren Anfang bei prädisponierten Personen eine immunologische Kreuzreaktion von Lipopolysacchariden von H. pylori mit dem Enzym H+/K+ ATPase der Parietalzellen der Magendrüsen steht. (Cave: Auch die Typ B Gastritis wird durch H. pylori verursacht! Eine Infektion mit H. pylori sieht man in der AIG jedoch nicht.) Dadurch werden autoimmunologische Mechanismen gegen die eigenen Parietalzellen in Gang gesetzt. Die funktionelle Elimination der Parietalzellen durch gegen die ATPase gerichtete, autoreaktive Typ I T-Zellen führt indirekt zu einer Destruktion der säurebildenden („oxyntischen“) Mucosa und letztlich zu ihrer Verschmälerung und Atrophie (siehe Histopathologie unten). Begleitet wird dies von einer T Zell-abhängigen Stimulation von B Lymphozyten mit der Produktion von Autoantikörpern gegen Parietalzellen (APCA) und gegen den Intrinsischen Faktor (IF). Der gesamte Prozess geht mit dem Verlust der Magensäure und somit zu einer Abnahme des Pepsinogens mit einer Störung der Aufspaltung von Nährstoffen einher, was in weiterer Folge zu einer verminderten Resorption von Eisen, Calcium und Vitaminen (v.a. C und B12) und Proteinen im nachgeschalteten Duodenum und Jejunum führt. Reaktiv wird vermehrt Gastrin produziert.
Histopathologie
Aufgrund der Lokalisation der Parietalzellen ist die Typ A Gastritis auf Fundus und Corpus des Magens beschränkt, was bei der Biopsieentnahme bedacht werden soll. Die Autoimmunreaktion bedingt –allerdings erst im späteren Verlauf der Erkrankung- eine Sequenz an histopathologischen Veränderungen, die als milde Phase mit einem diffusen oder multifokalen gemischtzelligen Infiltrat aus CD4+ T Lymphozyten und anderen Leukozyten in der basalen Lamina propria rund um die Magendrüsen beginnt, die vereinzelt apoptotisch zerstört werden. In der anschließenden floriden Phase kommt es zu einer transmucosalen Entzündung mit einer ausgiebigeren Destruktion der Magendrüsen mit einer reaktiven Hyperplasie der G-Zellen. Es folgen eine Gastrin-induzierte Hyperplasie der oberflächlich gelegenen Ausführungsareale (Foveolen) der Magendrüsen und der verbleibenden Parietalzellen sowie –im Endstadium- eine zunehmend dysplastische Gastrin-induzierte Proliferation von ECL Zellen. Dominant ist jedoch die zur atrophen Phase fortschreitende Rarefizierung der Magendrüsen mit einer Abflachung der Schleimhautfalten, Ausdünnung der Schleimhautdicke und Hervorteten der submucosalen Gefäße; letztlich eine ungleichmäßiger völliger Verlust des Reliefs mit funktionslosen Magendrüsen (Atrophie, syn. oxyntische Desertifikation). In der floriden Phase und atrophen Phase reagieren die Schleimhautzellen mit einem (vergeblichen) Kompensationsmechanismus, nämlich der Umwandlung in unterschiedliche Varianten eines Magen-fremden Bilds (Metaplasie). Die Muscularis mucosae ist verdickt! Nur mehr verstreute lymphozytäre Aggregate sind zu sehen. Eine Regression zum milden Stadium erfolgt nicht.
Klinik
Es fallen außer geringen Magenschmerzen und einer langsamen Magenentleerung (Dyspepsie) bei 55% der Betroffenen für 10-20 Jahre keine Symptome auf. Erst dann kommt es zu einer merkbaren intestinalen Resorptionsstörung und einem Mangel an (a priori in geringerem Ausmaß gespeicherten) Eisen (35%) und später an Vitamin B12 (20%) mit hämatologischen (davon 37%), neuropsychiatrischen (davon 10%) Symptomen und Abortneigung. Die Nährstoffe werden parenteral substituiert. Zudem erfolgt bei positivem Nachweis von H. pylori dessen antibiotische Eradikation. Unbehandelt besteht –vor allem bei perniziöser Anämie- das Risiko einer Gastrin-produzierenden Neoplasie (6% der Fälle) und eines Adenokarzinoms (1 % der Fälle); die sogenannten komplizierte Phase der AIG.
Zu bedenken sind in jedem Fall folgende, durch die prinzipielle autoimmunologische Anfälligkeit der Patient*innen bedingte Co-Morbiditäten: autoimmune Thyreoiditis (M. Hashimoto, 30%), Vitiligo (15%), Typ I Diabetes mellitus (8%) und primärer Hypoparathyreoidismus sowie post partum Thyreoiditis (< 2%). Als Grundlage nimmt man die gemeinsame endodermale Herkunft der Zielzellen der Autoimmunreaktion an.
Labordiagnostik
Ein Screening von Gesunden wird aufgrund der hohen Prävalenz (10%) von Magen-spezifischen Autoantikörpern nicht empfohlen. Doch auch bei klinischen Symptomen ist ein Zeitverzug von 14 Monaten bis zur Erstdiagnose beschrieben. Prinzipiell genügt eine periphere venöse Blutabnahme und in weiterer Folge in späteren Krankheitsphasen vier bis sechs Biopsien des Magens (und eventuell zwei des Duodenums). Laut Leitlinien soll innerhalb von sechs Monaten nach Feststellung einer perniziösen Anämie eine basale hochauflösende Endoskopie unter Chromoskopie erfolgen, die Verlaufskontrolle alle drei bis fünf Jahre.
1 Parietalzellen werden durch Gastrin-produzierende G-Zellen des Antrums und Histamin-produzierende ECL Zellen des Corpus‘ stimuliert, die ihrerseits unter dem Einfluss des N. vagus stehen.
2 Man erhebt Grad und Stadium der Veränderungen laut OLGA (Operative Link for Gastritis Assessment) system – Evaluation of gastric mucosal atrophy and metaplasia) und OLGIM (Operative Link on Gastritis/Intestinal-Metaplasia Assessment)
3 APCA: klinische Sensitivität 90%, keine prognostische Aussagekraft. Autoantikörper gegen Intrinsic Factor: klinische Sensitivität 45%, klinische Spezifität 98%. Gastro Panel: Gastrin-17 > 30 pmol/l plus Pepsinogen I < 39 µg / l plus Pepsinogen I / II < 3: klinische Sensitivität 75%, klinische Spezifität 99,9%. Hb, MCV und Gastrin: klinische Sensitivität 86%, klinische Spezifität 84%
4 MAPS II (Management of epithelial precancerous conditions and lesions in the stomach)
Literatur
Livzan et al., Chronic autoimmune gastritis: modern diagnostic principles. Diagnostics (Basel) 11, 2021
Rustgi et al., Autoimmune gastritis, with or without pernicious anemia: epidemiology, risk factors, and clinical management. Ther. Adv,. Gastroent. 14, 2021
Conti et al., Autoimmune gastritis and gastric microbiota, Micororganisms 8, 2020
Hall und Appelman, Autoimmune gastritis, Arch Pathol Lab Med 143, 2019