Pathophysiologie
Adrenogenitales Syndrom (AGS, oder auch congenital adrenal hyperlasia, CAH, genannt, OMIM: 2012910, 202010) basiert auf einem ererbten Enzymdefekt, der sich in der Nebennierenrinde (NNR) manifestiert: entweder (und meistens!) betrifft dies die 21-Hydroxylase, oder es ist die 11ß-Hydroxylase. Beide Enzyme sind in die Synthese der NNR-Hormone Cortisol und Aldosteron involviert.
Bei Ausfall eines der beiden Enzyme aufgrund eines homozygoten Defekts des Gens für CYP21 bzw. CYP11B1 wird kein (oder zu wenig) Cortisol und Aldosteron gebildet.
Der Mangel an Cortisol ist es, der zu einer zentralen Überstimulation (Wegfall des negativen Feedbacks) von CRH und ACTH führt. Langfristig erhöhte ACTH-Spiegel stimulieren damit die beiden NNR, die hyperplastisch und hyperaktiv werden und diejenigen Steroide vermehrt produzieren, die ihre Enzymausstattung (noch) gestattet; das sind die Cortisol-Vorstufen 17-alpha-Hydroxyprogesteron (17HOP) und 11-Deoxycortisol (11DCL), sowie die Androgene Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Androstendion (ADN).
Während 17HOP und 11DCL keine biologische Wirkung haben, führen die erhöhten DHEA und ADN-Spiegel zu einem klinisch manifesten Hyperandrogenismus. Nachdem in Österreich und den meisten Nachbarstaaten alle Neugeborenen auf diesen Enzymdefekt untersucht und danach sofort eine Substitutions-Therapie mit Hydrocortone (= Cortisol) + Astonin (= Aldosteron) begonnen wird, sind die genannten klinischen Symptome nicht mehr häufig anzutreffen.
Erstdiagnose
Wegweisend für eine Erstdiagnose eines CYP21-Defekts ist dennoch ein erniedrigtes (bis kaum nachweisbares) Cortisol und Aldosteron, sowie erhöhte Spiegel von ACTH, 17HOP (bzw. 11DCL), und DHEA und ADN. Im Screeningverfahren wird nur auf Erhöhung von 17HOP getestet. Bei Frühgeborenen kann das 17HOP aufgrund der "Unreife" der NNR
(= noch nicht reifes Expressionsmuster aller steroidogenen Enzyme) auch ohne genetischen Defekt erhöht sein, weshalb man die Untersuchung nach einigen Wochen wiederholen muss.
Verlaufskontrolle
Nachdem eine Substitutionstherapie lebenslänglich durchgeführt werden muss, ist ein Compliance-Monitoring unerlässlich. Regelmäßige Messungen von ACTH, 17HOP, 11DCL im „ambulanz-üblichen“ Morgenplasma sind dabei weniger sinnvoll als die Bestimmung von DHEA und ADN: Erstere reagieren zu empfindlich auf ein evt. Weglassen der morgendlichen Dosis und führen auch bei guter Compliance zu fälschlich erhöhten Werten. Viel „träger“ und diesbezüglich robuster reagieren DHEA und ADN, weshalb man sie unbedingt mitmessen bzw. nur diese alleine messen soll. In manchen Krankenhäusern wird ein Tagesprofil von 17HOP bzw. 11DCL aufgenommen, allerdings nicht im Blut sondern im Speichel, was weniger invasiv ist.
Nach unserer langjährigen Erfahrung erweist sich ein Monitoring von DHEA und ADN als verlässlich und ausreichend, um die Compliance eines AGS-Patienten zu bewerten. Werden die (altersentsprechenden) Normalwerte von DHEA und ADN im Langzeitprofil nicht überschritten, sind auch keine Hyperandrogenismus-Symptome zu befürchten und folglich eine ausreichende Substitution mit Gluco- und Mineralcorticoiden anzunehmen.
Es muss betont werden, dass nur eine Gesamtschau aller der genannten endokrinologischen Analyte und der klinischen Beobachtung der Patienten, im Verein mit genetischen Diagnosedaten, eine verlässliche Diagnose erlaubt.
tit.ao.Univ.Prof. Dr. Siegfried Schwarz
Sektion für Exp. Pathophysiologie & Immunologie
Biozentrum
Medizinische Universität Innsbruck