Sensorische Störungen für Patienten mit Erkrankungen aus dem Spektrum autistischer Erkrankungen (autism-spectrum disorders – ASD)

Aug. 30, 2020 | Allgemeines, News

ASD gelten allgemein als ausschliesslich im Gehirn verortete Erkrankungen. In einem kurzen, im Oktober 2019 erschienen Editorial (Ref. 1) wird die interessante Theorie präsentiert, dass periphere sensorische Neuronen – also Neuronen ausserhalb des Gehirns – Schlüsselfunktionen in Bezug auf ASD-assoziierte Mutationen einnehmen könnten. Menschen mit ASD leider nämlich häufig unter taktil-sensorischen Beschwerden. Die hier diskutierte Hypothese basiert auf Beobachtungen an genetisch modifizierten Mäusen.

Die verwendeten Mausmodelle umfassten solche mit Keimlinienmutationen ASD-assoziierte Gene, wie Mecp2 (Rett Syndrom Modell), Gabrb3, Skank3 (Phelan-McDermid Syndrom Modell), Fmr1 (Fragile X-Syndrome Modell und Cntnap2 (Modell für maternale Immunaktivierung)).

Erstaunlicherweise führte der Verlust von Mecp2 in exzitatorischen Neuronen des Frontalhirns zu keinem ausgeprägten ASD Phänotyp. Genetische Mutationen, die nur periphere somatosensorische Neuronen (d.h., solche, die für die Wahrnehmung von Berührungen in der Haut verantwortlich sind) betrafen, führten jedoch zu einer Berührungsüberempfindlichkeit bei Mäusen mit Mecp2 Mutationen. Auch Mutationen von Gabr3 und Shank3 in peripheren Neuronen bewirkten sensorische Übererregbarkeit. Mäuse mit derartigen Störungen litten unter tiefgreifenden sozialen Störungen und Angstzuständen, wie jene, die bei ASD Patienten beobachtet werden. Die Autoren postulierten daher, dass auch beim Menschen schwere Störungen der sensorischen Wahrnehmung in frühen Entwicklungsstadien die Erfahrungen von Patienten bei Konfrontation mit ihrer Umwelt stark beeinträchtigten und signifikant zu den für ASD typischen Verhaltensstörungen beitragen könnten.

Ref.1:

Lauren Orefice, Outside-in, Science 366 (6461), 45-46 (2019)

DOI: 10.1126/science.aaz3880